Fortschrittliche und solidarische Organisationen stehen bei der Abstimmung zur Asylgesetzrevision am 5. Juni vor einem Dilemma. Dem neuen Gesetz zustimmen, weil bei den aktuellen bürgerlichen Mehrheiten nicht mehr für Geflüchtete zu holen ist? Oder es ablehnen und der SVP zu ihrem nächsten Wahlsieg verhelfen? Zugegeben, dass die SVP eine Asylrevision bekämpft, sollte stutzig machen. Allein als Argument reicht es aber nicht, einem Gesetz zuzustimmen, das in sich nicht stimmt. Die SVP kritisiert die sogenannten «Gratis-Anwälte». Abgesehen davon, dass die meisten der Rechtsvertreterinnen im Bundes- oder eben Testzentrum in Zürich sind und keine Rechtsan-wälte, ist diese Neuerung noch die begrüssenswerteste. Der Rechtsschutz wird tatsächlich ausge-baut, auch durch die kostenlose Rechtsberatung zu Beginn des Verfahrens. Diese Unterstützung wird wohlwollend und im Sinne der Geflüchteten ausgeführt. Die Rechtsvertretung ist aber eben kein Anwalt und nicht unabhängig. Die Rechtsvertretenden müssen das Mandat unter gewissen Bedingungen niederlegen. Da die Beschwerdefristen so kurz sind, ist es schwierig für Asylsuchen-de, nach Mandatsniederlegung zeitnahe eine andere kostenlose Rechtsberatung zu finden und die Beschwerde fristgerecht einzureichen.
Als «migrationspolitisches Grüppchen» (Zitat Weltwoche) sehen wir die zentralisierte Unterbrin-gung in den geplanten grossen Bundeszentren, wie sie nach der Abstimmung schweizweit umge-setzt werden sollen, skeptisch. Auch in der Ostschweiz ist ein solches Bundeszentrum in Planung. In den Zentren werden die Menschen von der Öffentlichkeit abgeriegelt und isoliert. Es entstehen gefängnisähnliche Zustände. In Zürich beispielsweise bietet das Zentrum zu wenig Platz und die ankommenden Geflüchteten müssen die ersten Wochen in einer Zivilschutzanlage wohnen. Die Anlage ist umzäunt und nur durch eine Schleuse zu verlassen. Für viele Geflüchtete ist diese Situa-tion sehr schwierig. Für traumatisierte Menschen gibt es keine Alternative.
Es ist ärgerlich, dass eine an sich gute Idee, nämlich die kostenlose Rechtsvertretung und die Beglei-tung durch Fachpersonal in ein Paket geschnürt wurde, das aus menschenrechtlicher Position nicht akzeptiert werden kann. Die Verbesserungen wurden in ein System eingebettet, das wir als fort-schrittliche Bewegung nicht unterstützen können. Die Änderungen stimmen nicht mit unseren Vor-stellungen von gleichen Grundrechten für alle und vor allem dem Recht auf Bewegungsfreiheit überein. Deshalb sagen wir mit schwerem Herzen, aber guten Gewissen NEIN am 5. Juni.